Atempausen zum Kraft tanken

Gala Diner setzt Schlusspunkt für erfolgreiche Woche der pflegenden Angehörigen

 

Die Premiere ist gelungen. Hunderte von pflegenden Angehörigen in Bielefeld nutzen eine oder mehrere der 30 Veranstaltungen, um sich mal eine kleine Auszeit zu gönnen.

Freiwillige sorgten dafür, dass die Pflegenden Angehörigen verwöhnt wurden.

Durchatmen und mal einen schönen Abend verbringen – für Bärbel Karl war das Gala-Diner für pflegende Angehörige im Kultur- und Kommunikationszentrum Sieker ein ganz besonderer Termin. „Dabei hatte ich heute einen Tag, den ich liebsten vergessen würde. Mein Mann war seit fünf Uhr früh auf den Beinen und nicht zu beruhigen“, erzählt die sportliche Anfangsiebzigerin, die seit Jahren ihren demenzerkrankten Ehemann pflegt. „Wenn ich meine Familie nicht hätte und den Pflegedienst, wüsste ich nicht, wie ich das schaffen sollte.“ Mit den Jahren wird die Pflege in den meisten Fällen nicht leichter.

 

Komische Begegnung der clownesken Art: Das Team von Dr. Clown begrüßte die Pflegenden Angehörigen beim Gala-Diner.

Bärbel Karl ist eine von mehr als 7.000 Bürgerinnen und Bürgern in Bielefeld, die einen oder mehrere Menschen zu Hause pflegen. Ein emotional belastender Fulltimejob, der jeden an seine Grenzen bringt. Einer der entscheidenden Gründe für die Stadt Bielefeld, die v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel, die Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände Bielefeld, das Ev. Krankenhaus Bielefeld sowie den Arbeitskreis Tagespflege die erste Woche für pflegende Angehörige in Bielefeld zu organisieren. „30 Veranstaltungen haben wir mit unseren Partnern vom 19. bis 26.9. angeboten und gleichzeitig Betreuungsmöglichkeiten geschaffen, damit die pflegenden Angehörigen auch Zeit hatten“, berichtete Bernadette Bueren von der Altenhilfeplanung der Stadt Bielefeld und Hauptorganisatorin der besonderen Woche.

„Pflegen ist Familiensache bei uns in Deutschland. Und wir müssen darauf achten, dass die engagierten und belasteten Familienmitglieder sich auch mal eine Pause gönnen“, erklärte Pastor Ulrich Pohl, Vorstandsvorsitzender der v. Bodelschwinghschen Stiftungen und mit Oberbürgermeister Pit Clausen Schirmherr der Aktionswoche.

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Welf Helm, Gabriela Gruel und Lars Fieber stellten Interessenten das Bielefelder Modell vor, selbstbestimmtes Wohnen mit Versorgungsssicherheit.

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Einmal selbst tief durchatmen! Monika Nipkau (li.) und Sabrina Jacke von der AWO, die in der Woche der pflegenden Angehörigen ein Sorgentelefon von 9 bis 20 Uhr eingerichtet hatte.

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Tobias Zielke und Frauke Burghardt Oppermann stellten den Heimnotruf vor.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach der jüngsten Umfrage des Bundesgesundheitsministeriums betreuen ein Großteil der Angehörige ihre Familienmitglieder sogar ohne die Hilfe von Pflegediensten. Das überfordert viele: 55 Prozent der familiären Pfleger leiden unter Schlafstörungen, Angstzuständen und Erschöpfung – das sind 15 Prozent mehr als der Durchschnitt. Jeder Fünfte hat schon eine depressive Episode erlebt. Auch Rücken und Gelenke streiken häufiger.

Um sich körperlich ein bisschen Erleichterung zu schaffen boten in der Woche der pflegenden Angehörigen in Bielefeld Unternehmen und Einrichtungen wie die Patienten Versorgung Management GmbH, das Begegnungszentrum Kreuzstraße und das Tageshaus „Selbstbestimmt im Alter“ praktische Übungen für den Rücken an. Die Experten zeigten den Interessierten zahlreiche Tricks und Hilfsmittel, die das Pflegen leichter machen.Wer es trotz aller Angebote nicht schaffte, den zu Pflegenden in andere Hände zu geben, konnte die eigens eingerichtete Telefonhotline „Reden ist Gold“ der AWO von 9 – 20 Uhr anrufen. Die Freie Scholle und auch das BGW informierten über unterschiedliche Wohnmodelle im Alter sowie aktive Unterstützung für pflegende Angehörige.

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Gabriele Tammen-Parr (links), Dr. Peter Stuckhard und Birgit Vogl im Gespräch über Aggression in der häuslichen Pflege.

Ein weiterer thematischer Schwerpunkt bildete das Patientenforum, organisiert vom Ev. Krankenhaus Bielefeld, in der Ravensberger Spinnerei. Die Hauptrednerin des Abends, Gabriele Tammen-Parr aus Berlin, Gründerin der Anlaufstelle „Pflege in Not“, packte das Tabuthema Konflikte in der Pflege an. Seit 16 Jahren betreut und berät die Sozialtherapeutin mit ihrem Team pflegende Angehörige, die mit ihrer Kraft am Ende sind.

Es drehte sich in dieser Aktionswoche thematisch nicht alles um die Pflege zu Hause. Kulturelle, sportliche und lukullische Angebote ermöglichten den pflegenden Angehörigen auch mal vom Alltag wenigstens für ein paar Stunden völlig abzuschalten.

 

Video

 

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Das Kammerensemble spielWERK im kleinen Saal der Rudolf-Oetker-Halle.

Den Auftakt im wahrsten Sinne des Wortes machte ein klassischer Kammerkonzertabend im kleinen Saal der Rudolf-Oetker-Halle. Die Lions Hilfe Bielefeld hatte diese wunderbare Veranstaltung möglich gemacht. Das Publikum war begeistert und spendete den 13 Musikerinnen und Musikern tosenden Applaus.

Die Laufschuhe zogen sich Dutzende von Pflegekräften an beim Aktionslauf „Demenz bewegt (auch) uns“, der vom Arbeitskreis Tagespflege als eine Art Sternlauf veranstaltet wurde. Am Tag der Mobilität auf dem Kesselbrink waren alle Zuschauer in Bewegung ob mit oder ohne Rollator. Bei einer spannenden Podiumsdiskussion kam dort auch das Thema „Führerschein im Alter“ auf den Tisch.

 

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Lesefans um Irmlind Vodegel (r.) stellten im Tageshaus Selbstbestimmt im Alter Bücher zum Thema Demenz vor

Zu einer Lesestunde über bewegende Literatur zum Thema Demenz lud das Tageshaus Selbstbestimmt Leben im Alter ein.

Und beim Gala-Diner im Kultur- und Kommunikationszentrum wurden pflegende Angehörige einmal so richtig lukullisch verwöhnt. Bei gefüllter Lachsrolle, fruchtiger Orangen-Selleriesuppe, Hähnchenkräuterroulade mit frischen Pfifferlingen oder Auberginen mit Frischkäse-Mandelfüllung machten mehr als 200 Gäste Urlaub vom arbeitsreichen Alltag.

In einer Spielpause des Sara-Friedemann-Trios versprach Marc Korbmacher, Geschäftsführer der Diakonie Bielefeld, die Aktionswoche in aller Ruhe auszuwerten und zu schauen was noch verbessert werden kann. Die Aussichten auf eine nächste Woche der pflegenden Angehörigen sind folglich gut.

Fotos: Sarah Jonek und Cornelia Schulze

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